Recht im Einkauf: Neue Warenkaufrichtlinie und Digitale Inhalte-Richtlinie in Kraft
Gut besucht war der wie in jedem Jahr sehr informative Vortrag der Rechtsanwältin Claudia Zwilling-Pinna über rechtliche Neuerungen im Einkauf. Dieses Mal stand die Schuldrechtsreform 2022 im Fokus.
Schwerpunkte des Vortrags „Recht im Einkauf“ waren das seit 01.01.2022 geltende neue Gewährleistungsrecht bei Kaufverträgen und neue Vorschriften für Verträge über digitale Produkte.
Zwei EU-Richtlinien aus dem Jahr 2019 haben in ihrer Umsetzung in deutsches Recht die Änderungen/Neuerungen angestoßen: die sogenannte „Warenkaufrichtlinie“ und die „Digitale Inhalte-Richtlinie“.
Die EU-Warenkaufrichtlinie führt im deutschen Recht
- - zu Änderungen bestimmter vertragsrechtlicher Aspekte des allgemeinen Kaufrechts im BGB (siehe BGBl. I 2021, S. 2133) und betreffen B2B, B2C, C2B und C2C. Die Änderungen umfassen eine Neuregelung des Sachmangelbegriffs, die Modifikation einzelner Gewährleistungsansprüche, Ergänzungen zu Art und Umfang des Nacherfüllungsanspruchs und klären die Mitwirkung des Bestellenden bei der Nacherfüllung.
- - zu Änderungen im Verbraucherrecht,
- - zur Schaffung neuer Vorschriften über erweiterte Pflichten der Verkäufer von Waren mit digitalen Elementen sowie
- - zu Regress im B2B-Verkehr.
Digitale Inhalte-Richtlinie: Neuland in der Gesetzgebung
Mit der Umsetzung der Digitale Inhalte-Richtlinie hat der Gesetzgeber, so Zwilling-Pinna, juristisches Neuland betreten, weil er für die Bereitstellung eine spezielle „Warengruppe“ besondere Vorschriften eingeführt hat. Diese Regelung greift allerdings nur, wenn in der Kette am Ende Verbraucher digitale Produkte (nach gesetzlicher Definition bereitgestellte digitale Inhalte oder Dienstleistungen) gegen einen Preis beziehen oder nutzen. Dies kann über Smartphone-Apps, Media-Plattformen, Streamingdienste u.a. sein. Der Preis kann auch die digitale Darstellung eines Wertes (Kryptowährung) sein.
Die Digitale Inhalte-Richtlinie führt
- zu weiteren Neuerungen im Verbraucherrecht,
- einem speziellen, an ungewöhnlicher Stelle im BGB etablierten Kapitel (manche meinen sogar zu einem neuen Vertragstyp) über den Bezug digitaler Produkte und erweiterte Pflichten der Anbieter mit Aktualisierungspflichten und auch hier
- zu Regressansprüchen im B2B-Verkehr, die über den gewohnten Umfang hinausgehen.
Der gut einstündige, inhaltlich sehr dichte und differenzierte Vortrag verdeutlichte einmal wieder, dass es schleichend Neuerungen geben kann, die den Einkauf in allen Unternehmen betreffen (wie z.B. im B2B-Verkehr bei Kaufverträgen), oder die bei ganz speziellen Konstellationen (Unternehmen bewegt sich in der Kette von Produkten mit digitalen Inhalten zum Verbraucher) auf dem Kundenmarkt wichtig werden.
TIPP: Empfehlenswert ist daher eine Vertiefung über die BME-Akademie, die die Referentin in einem Online-Training (z.B. am 09.03. oder 07.04.) durchführt.
Die wichtigsten Schritte für den Einkauf
Vier Tipps gab Claudia Zwilling-Pinna am Ende ihres Vortrags dem Einkauf im Umgang mit den neuen Rechtsgrundlagen mit auf den Weg:
- Wichtig ist es zunächst herauszufinden, wo und in welchem Zusammenhang ein Unternehmen warengruppenspezifisch von den Neuerungen betroffen ist.
- Um sich mit Folgen der Änderung des Sachmangelbegriffs bei Kaufverträgen für Spezifikationen, allgemeinen Beschreibungen von Produkten, Wartungs- und Installationsanleitungen zu befassen, sollten Entwicklung, QS, Vertrieb, Technik und Service mit ins Boot geholt werden.
- Vorhandene Verträge über digitale Produkte mit Lieferanten und Dienstleistern sollten unbedingt überprüft werden, wenn das eigene Unternehmen in der Kette zum Verbraucher digitale Produkte liefert oder gegen Entgelt bereitstellt. Gegebenenfalls ist es notwendig, den Leistungsumfang von Dienstleistern zu erweitern.
Einschlägig spezialisierte Juristinnen und Juristen sollten den Einkauf dabei unterstützen, aus AGB-rechtlichen Gründen ggf. erforderliche Anpassungen der Einkaufs- und Vertriebs-AGBs oder Vertragstemplates vorzunehmen.