Nachhaltigkeit im Einkauf: Wohin geht die Reise?
Ist Nachhaltigkeit im Einkauf in Zukunft von Relevanz oder von nachrangiger Bedeutung? In einer von Professor Christoph Bode, Universität Mannheim, geleiteten Diskussion am 8.3.2021 nahmen sich vier Gäste des Themas an.
Wie in den Vorjahren stand die März-Veranstaltung der BME-Region Pfalz/Rhein-Neckar ganz im Zeichen des Wissenschaftlichen Symposiums des BME an der Universität Mannheim. Vier Podiumsgäste waren eingeladen, ihre Einschätzung über den Stellenwert von Nachhaltigkeit im Einkauf darzulegen:
- Carolin Habich, Porsche AG
- Dr. Ulrich Piepel, 3P
- Dr. Marcell Vollmer, Boston Consulting Group
- Prof. Dr. Nick Lin-Hi, Universität Vechta.
Den roten Faden der Diskussion bildeten vier Fragen zum Stellenwert der Nachhaltigkeit im Einkauf, die der Moderator Professor Christoph Bode einbrachte.
Wie sieht die allgemeine Situation bezüglich Nachhaltigkeit im Einkauf aus?
Für Dr. Marcell Vollmer ist Nachhaltigkeit nach „Lieferketten und Risikomanagement“ sowie „Innovationen von Lieferanten“ inzwischen in vielen Unternehmen das dritte Entscheidungskriterium der strategischen Ausrichtung des Einkaufs. Wie das Thema in der Praxis gelebt werde, hinge – so Vollmer - hingegen stark von der jeweiligen Branche ab.
Ähnlich die Einschätzung von Carolin Habich, die für die Porsche AG festhielt, dass neben Kosten und technischer Qualität Nachhaltigkeit inzwischen ein verbindliches Kriterium bei der Auswahl von Lieferanten sei. Der VW-Konzern unterstütze darüber hinaus seine Lieferanten, sich in Bezug auf Nachhaltigkeit weiter zu optimieren und dies in die Sublieferketten weiterzugeben.
Weniger optimistisch hingegen war die Einschätzung von Dr. Ulrich Piepel. Er beobachtet bei seinen Kunden, dass Nachhaltigkeit nach wie vor kein echtes Vergabekriterium ist. Eine Veränderung erhofft er sich, wenn die Messbarkeit von Nachhaltigkeit eindeutig definiert ist, zum Beispiel in Form der Reduktion des CO2-Footprints.
Professor Nick Lin-Hi beobachtet in der westlichen Welt einen Anstieg der Relevanz von Nachhaltigkeit, wobei die Sozialstandards von Produkten – seiner Meinung nach neben dem Carbon Footprint ein weiterer wichtiger Nachhaltigkeitsfaktor – kaum messbar seien. Seine These: Westliche Standards seien in vielen asiatischen Produktionsstandorten kaum einzuhalten, da kulturell nicht übertragbar.
Welche Rolle spielen Einkauf und Beschaffung bei der Zielerreichung?
Nachhaltigkeit hat viele Schnittstellenpartner in und außerhalb von Unternehmen, wodurch – so die Podiumsgäste – noch nicht eindeutig geklärt sei, wo es letztlich angesiedelt würde. Carolin Habich sieht das Thema auch bei den verschiedenen Lieferanten angesiedelt, Dr. Ulrich Piepel hingegen in Kooperation mit anderen Fachbereichen beim Einkauf.
Welche Herausforderungen sind zu meistern?
Professor Nick Lin-Hi betonte die Notwendigkeit, die Lieferanten für nachhaltige Themen zu gewinnen, um langfristig etwas verändern. Dr. Ulrich Pieper sieht den Einkauf nach wie vor preisgetrieben und betonte daher die Notwendigkeit einer Regulierung, sollte Nachhaltigkeit tatsächlich ein strategisches Ziel von Unternehmen sein. Dr. Marcell Vollmer brachte als weitere Idee ein, den CO2-Ausstoß von der Produktion bis zur Anlieferung einzupreisen, um Nachhaltigkeit besser messbar zu machen.
Welche Lösungsansätze gibt es?
Eine wichtige Rolle, Nachhaltigkeit zu steigern, sahen die Podiumsgäste bei NGOs, die bereits an der Entwicklung gemeinsamer Standards arbeiteten. Ein weiterer Ansatz könnten Lösungen im Verbund mit anderen Unternehmen der gleichen Branche sein, um sich als Unternehmen nicht selbst zu marginalisieren. Eine wichtige Rolle könnten außerdem neue Technologien wie die Blockchain spielen, die die Messbarkeit bestimmter Standards nachvollziehbar machen. Auch eine globale Datenbank, in der die Nachhaltigkeitswerte der Lieferanten der verschiedenen Lieferketten erfasst würden, sei denkbar. Wirklich funktionieren würde all dies jedoch nur, wenn nach der Festschreibung von Standards und ihrer Nachvollziehbarkeit Verstöße auch sanktioniert würden – am besten auf höchster Ebene, so Professor Nick Lin-Hi.