Recht im Einkauf: Verträge in Zeiten von Corona und Lieferkettengesetz
Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die Abwicklung von Verträgen und das geplante Lieferkettengesetz brennen dem Einkauf unter den Nägeln - das zeigt die rege Beteiligung an der Veranstaltung „Recht im Einkauf“ mit RÄ Claudia Zwilling-Pinna.
Nach wie vor ist Pandemie-Zeit – und das spürt der Einkauf deutlich: Haben Lieferanten das Recht, vereinbarte Liefertermine zu überziehen, Lieferfristen gänzlich zu ignorieren, Liefermengen einseitig zu kürzen oder gar Preise zu erhöhen? Liegen die Engpässen an der Logistik stellt sich die Frage, wem dies zurechenbar ist.
Claudia Zwilling-Pinna empfiehlt, zunächst die eigene Interessenlage zu klären. Denn manchmal hat sich nicht nur die Situation des Lieferanten oder Dienstleisters verändert, sondern auch die des Bestellers. Mögliche Vertragsanpassungen oder Stornierungen könnten in manchen Fällen daher sogar gelegen kommen. Umgekehrt verliert der Einkauf rechtlich betrachtet nicht vorweg den Boden unter den Füßen, wenn er in der Position ist, zwingende konkrete Erfüllungspflichten aus geschlossenen Verträgen herleiten zu können. Das Recht, auf die Erfüllung eines Vertrages zu pochen, wird ihm durch einseitige „Mitteilungen“ oder „Informationen“ nicht genommen. Solange es die Rechtslage nicht hergibt, dass sich der Vertragspartner tatsächlich einseitig seiner Pflichten, z.B. durch Rücktritt oder Kündigung entledigen oder Vertragsanpassung verlangen kann, haben diese keine direkten Rechtswirkungen zur Folge.
Grundsätzlich gelte, so Zwilling-Pinna, auch in Pandemie-Zeiten die Regel, dass Verträge einzuhalten sind. Der Lieferant oder Dienstleister trage grundsätzlich die Risiken der Erfüllbarkeit seiner Pflichten und trage die Verantwortung für die Folgen der Nichteinhaltung im Verhältnis zum Besteller. Wichtig sei es aber, die Risikoverteilung zum Zeitpunkt des individuellen Vertragsabschluss genau zu kennen: Wann und unter welchen Voraussetzungen kam es zum Vertragsabschluss? Welche pandemiebedingten Veränderungen gab es danach bezogen auf das Umfeld des Lieferanten, die die Vertragserfüllung gefährdeten? Die jeweilige Vertragslage müsse individuell überprüft und die Stichhaltigkeit von Behinderungszeigen nachgewiesen werden.
Dies betreffe auch die Voraussetzungen und Folgen von „Force Majeure“ (höhere Gewalt). Sie können in Verträgen sehr unterschiedlich definiert sein und sind rechtlich nicht eindeutig geregelt. Relevant kann die „Störung der Geschäftsgrundlage“ sein oder die Frage, ob die Erfüllung des jeweiligen Vertrags tatsächlich ganz oder teilweise „unmöglich“ ist. Unterschiede zwischen deutschem und anderem Vertragsrecht sind zu berücksichtigen, wenn „fremdes Recht“ gilt. Dies betreffe dann auch die Frage nach dem Verschulden bei Haftungsthemen, wenn es um die wirtschaftlichen Folgen gehe.
Im zweiten Teil ihres Vortrages ging Claudia Zwilling-Pinna auf das noch für diese Legislaturperiode geplante Lieferkettengesetz, voraussichtlich „Sorgfaltspflichtengesetz“ genannt, ein. Es gehe um erweiterte Pflichten und die Haftung von Unternehmen für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltbedingungen entlang der Lieferkette, die ernst genommen werden müssten. Auch wenn im anstehenden Gesetzgebungsverfahren einiges zu klären sei, empfiehlt Zwilling-Pinna, sich alsbald auf dieses Thema vorzubereiten und im Unternehmen eine Task Force zu bilden, zumal in absehbarer Zukunft auf EU-Ebene ein möglicherweise strengeres Gesetz zu erwarten sei.
Einige Unternehmen und Konzerne bestimmter Branchen seien auf die Anforderungen bereits durch freiwillige Selbstverpflichtung oder aufgrund der CSR-Richtlinie, die Berichterstattungspflichten für Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern in Deutschland brachte, teilweise vorbereitet. Der in Deutschland aufgelegte Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der durch die Vereinten Nationen geschützten Leitprinzipien zur Verantwortung auch von Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten auf freiwilliger Basis zeige im Monitoring nicht den erwarteten Erfolg.
Nunmehr haben nach einem Mitte Februar 2021 von der Politik als Durchbruch bezeichneten Referentenentwurf Unternehmen ab einer Größe von mehr als 3000 Mitarbeiter ab 1.1.2023 und solche ab einer Größe von 1000 Mitarbeitern ab 1.1.2024 damit zu rechnen, dass sie aufgrund gesetzlicher Regelungen, die noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden sollen, in abgestufter Verantwortung Sorgfaltspflichten zu erfüllen haben und dafür in die Pflicht genommen werden. Je eher sich die Unternehmen damit befassen, desto besser, schließt die Rechtsanwältin ihre Ausführungen.
Hinweis: Die BME-Akademie veranstaltet Webinare mit Frau Zwilling-Pinna und Herrn Rogge als Co-Referenten zu den zu erwartenden Aufgaben nach dem Lieferkettengesetz und dessen Umsetzung in der Praxis.