Die neue Seidenstraße - Chancen und Risiken
Steht China am Wendepunkt? Mit dieser Frage überraschte Frank-Oliver Wolf von der Commerzbank Frankfurt die Gäste in seinem Vortrag über die "Neue Seidenstraße" – und nennt Anzeichen, dass die starke Fassade des Landes durchaus Risse haben könnte.
China befindet sich auf dem Weg zur Weltmacht – wirtschaftlich, politisch und militärisch. Seit 2005 sind die Investitionen des Landes steil angestiegen, vor allem im Ausland. Experten prognostizieren, dass bei weiterhin steigender Wirtschaftsleistung die Volksrepublik im Jahr 2030 mit den USA gleichzieht und nach der Führungsrolle im Welthandel greifen wird. Der aktuelle Handelskrieg zwischen den USA und China deutet diesen Konflikt bereits an.
Ebnet die chinesische Belt-and-Road-Initative (BRI), hierzulande auch als „Neue Seidenstraße" gekannt, den Weg zu dieser führenden Rolle? Schließlich ist die BRI eine klare politische Entscheidung der chinesischen Führung, um China den einstigen Glanz zurückzugeben und das Land zu dem wirtschaftlich wichtigsten Player zu machen.
Mehr als 70 Länder sind von der Schiffs- und Landroute des ambitionierten Projektes betroffen, 50 große chinesische Unternehmen aus Industrie, Bau, Finanzwesen und Internet am BRI beteiligt. China verfolgt hierbei klare geostrategische und politische Interessen: Die beteiligten Staaten und ihre Volkswirtschaften sollen eng, zum Teil unauflöslich, mit der Chinas verwoben werden. Auch Unternehmen aus Europa profitieren von diesem Projekt, indem sie als Investor oder Zulieferer Anlagen und Expertenwissen einbringen. So bietet die „Neue Straßenstraßen" durchaus vielfältige Chancen für die deutsche Wirtschaft.
Nicht alles, was glänzt, ist Gold
Bei genauerer Betrachtung läuft jedoch nicht alles so glänzend, wie es scheint. Da ist die inzwischen hohe Überschuldung des Landes, die über der der USA liegt. Da sind die Überkapazitäten des Landes bei Stahl, Zement und im Baugewerbe, die das Seidenstraßen-Projekt auffangen soll. Zugleich ist das Investitionsvolumen in den letzten acht Jahren zurückgegangen und es gibt deutliche Anzeigen, dass die VR China einiges tut, um staatseigene Betriebe zu stützen. Auch hinter dem konstant positiven Bruttoinlandsprodukt steht ein Fragezeichen, da sich tatsächliche Exportschwankungen nicht bemerkbar machen. Und obwohl die Volksrepublikwirtschaftlich so erfolgreich scheint, ist es der chinesischen Währung nicht gelungen, im internationalen Zahlungsverkehr Währungen wie den Dollar oder den Euro zu überrunden.
Die wachsenden Militärausgaben des Landes, die noch immer deutlich unter denen der USA liegen, sind ein Hinweis darauf, wie ernst es China ist, sich in Asien als regionale Hegemonialmacht durchzusetzen. Dies betrifft unter anderem das Südchinesische Meer mit seinen Rohstoffen und seiner Bedeutung für den weltweiten Schiffsverkehr. Die geplante Freihandelszone RCEP in Asien, zu der alle wichtigen Staaten der Region – auch Indien - gehören, setzt einen Kontrapunkt zu den westlichen Freihandelszonen. Immerhin beträfen RCEP 40 Prozent des Welthandels, 3,6 Milliarden Menschen und ein BIP von 17 Billionen US-Dollar. Das Seidenstraßen-Projekt schafft hierfür neue Handelsrouten und Verbindungen abseits der USA.
Stolpersteine auf dem Weg zum Erfolg sind jedoch nicht zu übersehen, zum Beispiel der ungelöste Konflikt mit Hongkong, die ungleiche Entwicklung innerhalb der Volksrepublik, die die Küstenregionen bevorzugt und das Hinterland benachteiligt, sowie der ausufernde Überwachungsstaat, der irgendwann auf Widerstand stoßen könnte. Die innerchinesische Reaktion auf die Informationspolitik zum Coronavirus deutet zumindest darauf hin, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die staatstragende Partei getrübt ist. Wie eng der Gürtel der BRI ist, wird daher die Zukunft zeigen.